Umfrage: Soziale Organisationen befürchten massive Versorgungsengpässe
Bundesweite Umfrage zur finanziellen Lage sozialer Arbeit - Auch Bremer Einrichtungen betroffen
Medieninformation:
Bremen, 17.10.2023. Mehrere Wohlfahrtsverbände warnen angesichts der Kürzungspläne im Bundeshaushalt vor einem Zusammenbruch der sozialen Infrastruktur. Viele soziale Angebote in ganz Deutschland drohen vollständig wegzubrechen, da gestiegene Kosten finanziell nicht ausreichend kompensiert werden können. Trotz steigender Nachfrage mussten vielerorts – auch in Bremen – bereits Angebote und Hilfen eingeschränkt oder ganz eingestellt werden. Das sind die erschütternden Befunde einer bundesweiten Umfrage von Paritätischem Wohlfahrtsverband, Arbeiterwohlfahrt (AWO) und Diakonie Deutschland, an der sich deutschlandweit mehr als 2.700 gemeinnützige Organisationen und Einrichtungen aus dem gesamten Spektrum sozialer Arbeit beteiligten.
Die Wohlfahrtsverbände warnen, dass sich hier eine Katastrophe für die soziale Infrastruktur anbahne und fordern den Bund auf, von angekündigten Haushaltskürzungen Abstand zu nehmen. Was es jetzt brauche, seien zudem eine konzertierte Aktion von Bund, Ländern und Kommunen sowie einen ambitionierten steuer- und finanzpolitischen Kurswechsel.
Bremer Einrichtungen müssen Angebote reduzieren - defizitäre Strukturen befürchtet
Laut Umfrage mussten allein im Bundesland Bremen bereits fast 40 Prozent der befragten Organisationen und Einrichtungen Angebote und Leistungen für Klient*innen aus finanziellen Gründen einschränken oder ganz einstellen. Gründe hierfür seien mangelndes Personal, das durch fehlende Refinanzierung nicht mehr bzw. nicht marktüblich bezahlt werden könne. In der Beratung gebe es schon jetzt eingeschränkte Öffnungszeiten, erstmalig mussten einige Einrichtungen sogar Schließtage einführen. Auch für die Zukunft befürchten rund zwei Drittel der Befragten in Bremen deutliche Einschnitte: Werden Zuwendungen gekürzt und Kassenleistungen reduziert, fallen in vielen sozialen Bereichen wichtige Angebote für Kinder, ältere oder behinderte Menschen und bedürftige Personen weg.
Eine gemeinnützige Pflegeorganisation berichtet: „Die Zahlungsmoral der Kostenträger, insbesondere der Sozialämter, drängt uns immer mehr in die Ecke. Außerdem werden bei Begutachtungen durch das Gesundheitsamt immer weniger Umfänge genehmigt oder Kostenübernahmen radikal gekürzt. Zusammen mit den Lohnsteigerungen durch den Tarifvertag steuern wir auf defizitäre Strukturen hin.“ Zudem befürchten mehrere Paritätische Kita-Träger die Schließung kompletter Gruppen, was sich direkt auf die Kinderbetreuung zahlreicher Familien auswirken würde.
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Birgitt Pfeiffer, Vorständin Paritätischer Bremen:
„Wer in Zeiten großer Unsicherheit unseren ohnehin schon durch Pandemie, Inflation und Fachkräftemangel geplagten sozialen Organisationen die Gelder kürzt, handelt nicht nur unsozial, sondern auch unwirtschaftlich. Armut und Ungleichheit werden zunehmen, politische Konflikte befördert und am Ende werden die Summen für die Lösung der sozialen Folgeprobleme ungleich höher sein.“
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Da Systeme oft ineinandergreifen, rechnet eine Organisation mit „massiven Engpässen in der Versorgung von Menschen mit besonderen Hilfebedarfen“. Das System werde „platzen“ und Mitarbeitende sowie Hilfesuchende würden die Leittragenden sein. Einige der Befragten bezeichnen die Sozialkürzungen als akute Bedrohung des gesellschaftlichen Zusammenhalts: „Alles Wasser auf die Mühlen rechtsradikaler und populistischer Parteien.“
Im bundesweiten Durchschnitt verzeichnen die befragten Einrichtungen insgesamt eine Kostensteigerung um durchschnittlich 16 Prozent seit Anfang 2022. Die Ergebnisse belegen, dass in der Praxis kaum ein Weg unversucht bleibt, aus eigenen Kräften die schwierige finanzielle Lage zu bewältigen.
Die teilstandardisierte Online-Umfrage fand vom 29. September bis zum 10. Oktober 2023 statt. Insgesamt sind in den teilnehmenden Organisationen bundesweit mehr als 261.721 Menschen beschäftigt. Im Tagesdurchschnitt werden durch die befragten Organisationen insgesamt rund 377.112 Menschen beraten, betreut oder versorgt.
Im Land Bremen beteiligten sich 44 gemeinnützige Organisationen an der Umfrage, darunter zum Beispiel Kitas, Einrichtungen und Beratungsstellen aus Familien- und Jugendhilfe, Pflege, Eingliederungshilfe, Migration sowie Schuldnerberatung und Wohnungslosenhilfe.
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Weitere Informationen:
Detaillierte Ergebnisse der Umfrage finden Sie unter www.der-paritaetische.de/umfrage
Bereits im August machte der Paritätische Bremen anhand konkreter Beispiele auf die dramatischen Folgen der im vom Bund geplanten Mittelkürzungen für soziale Unterstützungsangebote aufmerksam: www.paritaet-bremen.de/geplante-mittelkuerzungen-haetten-dramatische-auswirkungen