Geplante Mittelkürzungen hätten dramatische Auswirkungen!
Mit diesem Schreiben hat sich der Paritätische Bremen im August 2023 an die Bremer Bundestagsabgeordneten gewandt:
Mit großer Bestürzung haben wir zur Kenntnis genommen, dass der Entwurf des Bundeshaushalts dramatische Kürzungen für soziale Unterstützungsangebote vorsieht. Das hätte auch in Bremen und Bremerhaven verheerende Folgen.
Gemeinnützige Angebote stehen unter besonderem wirtschaftlichem Druck. Da Leistungsentgelte in Bremen oft nur mit Verzögerungen und Zuwendungen meist unzureichend oder gar nicht angepasst werden, leben viele Träger seit Monaten von der Substanz. Die Pandemie, die massiven Kostensteigerungen durch Energiepreise, Inflation und Tarifsteigerungen haben dazu geführt, dass die ohnehin gesetzlich begrenzten Rücklagen vielerorts erschöpft sind. Die massiven Kürzungen würden unmittelbar zu erheblichen Angebotsreduzierungen und Trägerinsolvenzen führen. Dass dies keine Übertreibung ist, möchten wir Ihnen an einigen Beispielen verdeutlichen:
Im Land Bremen direkt massiv betroffen wären u. a. folgende Träger:
- Unser Mitglied Refugio ist Träger eines Psychosozialen Zentrums (PSZ).
- Ebenfalls betroffen sind der Soziale Friedensdienst, der in Bremen und Bremerhaven Freiwilligendienste betreibt,
- Sowie das Pädagogische Zentrum in Bremerhaven, Träger der bundesgeförderten Migrationsberatung (MBE).
1. Folgen der Kürzungen bei Psychosozialen Zentren
Neben den über eine Million Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind und die keinen Asylantrag benötigen, hat sich die Zahl der Asylanträge im Juni 2023 gegenüber dem Vorjahr um 88 Prozent erhöht. Schon jetzt reichen die Kapazitäten bei Weitem nicht aus. Die geplanten Mittelkürzungen des Bundes um über zehn Millionen Euro, etwa 60 Prozent der bisherigen Förderung, würden bedeuten, dass traumatisierte und unterstützungsbedürftige Menschen keine neuen Therapien bekommen und bestehende Therapien vielfach abgebrochen werden müssen. Gerade erst eingestellten Psychotherapeut*innen müsste gekündigt werden.
- Konkrete Auswirkungen im Land Bremen: REFUGIO – Psychosoziales Zentrum für ausländische Flüchtlinge e.V.
„Die geplanten Kürzungen sind bedrohlich für die therapeutische Versorgung von Kindern und Jugendlichen bei Refugio. Begonnene Therapien müssen beendet werden, Neuaufnahmen werden fast unmöglich gemacht. Insgesamt rechnen wir mit einer Halbierung der vom Bund finanzierten Plätze.“
(Marc Millies, Leitung Kommunikation & Verwaltung Refugio Bremen)
2. Folgen der Kürzungen bei Freiwilligendiensten
Der Bund plant die Förderung der Freiwilligendienste (FSJ, FÖJ, FIJ und BFD) um fast ein Viertel zu kürzen. Das bedeutet bereits 2024 einen Verlust von 25.000 bis 30.000 Plätzen bundesweit. Wichtige Hilfen in Kitas, Schulen und Pflege, im Sport und im Naturschutz werden damit gestrichen. Einmal gestrichene Angebote lassen sich nur aufwändig wiederherstellen. Da die Freiwilligendienste vielfach eine berufliche Orientierung auch für Berufe in Erziehung und Pflege darstellen, verschärfen die Streichungen den Fachkräftemangel zusätzlich.
- Konkrete Auswirkungen im Land Bremen: Sozialer Friedensdienst Bremen e. V.
„Die Kürzungen würden bei uns alle drei Programme FSJ, BFD und FÖJ ab Sommer 2024 betreffen. Rund 25 Prozent der Stellen ab 2024 müssten gestrichen werden. Insgesamt würde sich das Portfolio an FSJ-Stellen deutlich verschmälern, was den Jugendlichen Auswahlmöglichkeiten nimmt und den Dienst insgesamt unattraktiver macht. Vermutlich werden sich Einsatzstellen in kleineren Organisationen ein FSJ nicht mehr leisten können. Wir befürchten zudem eine sinkende Qualität in der Freiwilligenarbeit, vor allem bei der Begleitung von Freiwilligendienstlern mit besonderem Unterstützungsbedarf.“
(Uwe Wrede, Leitender Pädagoge beim sfd)
3. Folgen der Kürzungen in der Migrationsberatung
Die durch den Bund finanzierte Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer (MBE) soll von bislang 81 Millionen Euro auf 57 Millionen Euro gekürzt werden. Das betrifft die Unterstützung beim Zugang zu Kitas und Schulen, zu Sprach- und Integrationskursen, zur Integration in den Arbeitsmarkt und anderen grundlegenden Bedarfen für über 557.000 Menschen durch 1.285 Beratungseinrichtungen. Die Kürzung steht im krassen Kontrast zu der Zielgruppenerweiterung auf alle Geflüchteten aus der Ukraine, alle Asylbewerber*innen, geduldete Menschen und den Bedarf der Menschen, die durch das jüngste beschlossene Fachkräfteeinwanderungsgesetz nach Deutschland kommen.
- Konkrete Auswirkungen in Bremerhaven: Pädagogisches Zentrum (PädZ)
„Das PädZ ist größter Integrationskursträger in Bremerhaven und wird für Berufssprachkurse und anderweitige Integrationsprojekte täglich von rund 600 Zugewanderten besucht. Durch Beratung in der Muttersprache (z. B. arabisch und durch Sprachmittler bspw. ukrainisch/russisch) entsteht eine unmittelbare Vertrauensbasis, wodurch sich Migrant*innen verstanden und respektiert fühlen und Missverständnisse vermieden werden. Finanzielle Kürzungen werden unumgänglich zu einer Verschärfung der Herausforderungen führen. Langfristig würde eine Reduzierung des Beratungsangebotes sogar zu höheren Kosten führen, da ungelöste Probleme zu einer größeren Abhängigkeit von sozialer Unterstützung und öffentlichen Ressourcen führen könnten.“
(Robert Rezmer, Geschäftsführer Pädagogisches Zentrum)
Sie sehen: Mit den durch die Bundesregierung geplanten Kürzungen für soziale Integration und aktive Arbeitsmarktpolitik werden Armut, Ungleichheit zunehmen, politische Konflikte werden befördert. Das muss verhindert werden!
Wir bitten Sie, Ihren Einfluss zu nutzen, um im Bundestag auf die dramatischen Folgen der geplanten Kürzungen hinzuweisen und alles in Ihrer Macht Stehende dafür zu tun, eine noch weitere Verschlechterung abzuwenden und zumindest Kürzungen zu verhindern.