Fachbereiche und Arbeitskreise
Keine Interessenvertretung ohne gemeinsame Position! In den verbandlichen Gremien kommen die Mitglieder zusammen, um Erfahrungen und Informationen auszutauschen, Veranstaltungen oder gemeinsame Projekte zu planen und fachliche Positionen zu entwickeln. Jede Mitgliedsorganisation hat „eine Stimme“, d.h. gleiche Rechte und Möglichkeiten.
Rund 35 Organisationen aus den Arbeitsfeldern Altenhilfe und Pflege
Koordination: Anja Vedder, Telefon (0421) 7919942
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Interview mit Anja Vedder (aus dem Jahresbericht 2022-2024)
Was bewegte die stationären Pflegeeinrichtungen in den letzten zwei Jahren?
Anja Vedder: „Vieles könnte hier genannt werden. Aber ein großes Thema sind sicherlich die zum 1. Juli 2023 in Kraft getretenen Regelungen zur Mehrpersonalisierung in der stationären Pflege nach § 113c SGB XI. Sie mussten und müssen weiterhin auf verschiedenen Ebenen klein gearbeitet werden. Das betrifft nicht nur die Entgeltverhandlungen, sondern auch die Einrichtungspraxis: Wie viel geeignetes zusätzliches Personal – insbesondere ausgebildete Pflegehelfer*innen – können wir finden oder weiterqualifizieren? Welche Qualifizierungsmöglichkeiten sind passend? Aber vor allem: Wie müssen Aufgaben neu verteilt und Abläufe umgestaltet werden? Viele Einrichtungen bleiben im ersten Umsetzungsjahr daher noch unterhalb der Möglichkeiten des § 113c.“
Die Mehrpersonalisierung ist am Ende auch eine Kostenfrage, oder?
„So ist es. Problematisch sind die teils immensen Kostensteigerungen für Pflegekund*innen bei voller Umsetzung der Mehrpersonalisierung bis hin zur Verdoppelung des Eigenanteils nach voller Umsetzung. Der Paritätische Wohlfahrtsverband fordert eine Reform der sozialen Pflegeversicherung und setzt sich für eine solidarische Pflegevollversicherung ein, die alle Kosten der Pflege übernimmt. Denn um die soziale Pflegeversicherung langfristig auf eine tragfähige Basis zu stellen, ist eine ernsthafte Debatte über die zukünftige Finanzierung der Pflegeversicherung notwendig. Es bleibt abzuwarten, ob die aktuelle Bundesregierung sich hier auf einen gemeinsamen Weg verständigen kann, der die Pflegebedürftigen entlastet. Unser Landesverband hat sich an der bundesweiten Kampagne für eine solidarische Pflegevollversicherung beteiligt. Unter anderem konnten Betroffene und Angehörige per Postkarte bei Gesundheitsminister Lauterbach eine ‚solidarische Pflegevollversicherung‘ einfordern.“
Welches Thema bewegte die Ambulante Pflege?
„In den ambulanten Diensten sorgten vor allem die neuen Qualifikationsanforderungen für Betreuungskräfte in den letzten zwei Jahren für viel Verunsicherung. Zwar war bereits 2021 der gesetzliche Auftrag im SGB XI formuliert worden, ambulant eingesetzte Betreuungskräfte analog zu den Vorgaben für Betreuungskräfte in stationären Pflegeeinrichtungen zu schulen. Allerdings erfolgte die genaue Ausgestaltung erst mit einer untergesetzlichen Neureglung im Februar 2024. Viele Details konnten zwischenzeitlich ge- klärt werden. Der Hauptkritikpunkt an der Regelung bleibt jedoch bestehen: Eine auf stationäre Pflege inhaltlich ausgerichtete Qualifizierung vermittelt nicht die Inhalte, die ambulant eingesetzte Betreuungskräfte wirklich benötigen, um einen pflegebedürftigen Menschen in der häuslichen Umgebung alleinverantwortlich betreuen und in Notfallsituationen reagieren zu können.“
Welche weiteren Themen werfen bereits ihre Schatten voraus? „Mit dem Pflegekompetenzgesetz sollen Pflegekräfte mit zusätzlichen Kompetenzen ausgestattet werden. Wie die Neuregelungen konkret aussehen werden und wie sie sich dann auf die Praxis auswirken, wird Thema im Fachbereich sein. Zur angekündigten Regelung einer bundeseinheitlichen Pflegeassistenzausbildung wurde der Gesetzgebungsprozess nun initiiert. Es bleibt abzuwarten, ob es mit der neuen Helfer-Ausbildung gelingen wird, mehr Menschen für das Berufsfeld zu begeistern. Der 1. Juli 2025 ist Stichtag für die Anbindung der Pflegeeinrichtungen an die Telematikinfrastruktur. Bislang sind die Voraussetzungen dafür sowohl aus technisch-organisatorischer als auch aus finanzieller Sicht für die Pflegeeinrichtungen unbefriedigend.“
Weitere Themen im Fachbereich:
• Generalistische Pflegeausbildung
• Entwicklung gemeinsamer Forderungen zur Bürgerschaftswahl 2023
• Gesetz zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz – PUEG)
• E-Rezept
• Krisenkonzepte in der ambulanten Pflege
Rund 15 Organisationen aus den Arbeitsfeldern Arbeitslosen- und Sozialhilfsberatung, Selbsthilfe
Fachbereichssprecher: N.N.
Interview mit Tjark Osterloh, Fachbereichssprecher bis 2024 (aus dem Jahresbericht 2022-2024)
Herr Osterloh, Sie haben den Arbeitskreis vor gut einem Jahr übernommen. Wo sind Sie sonst tätig?
Tjark Osterloh: „Bereits während meines Studiums habe ich bei der agab in Walle als Sozialberater gearbeitet. Nach meinem Abschluss habe ich dort die Nachfolge von Thomas Beninde angetreten. Und da sich die agab beim Paritätischen traditionsgemäß immer stark im Bereich Armut engagiert hat, habe ich nun auch diese Aufgabe von Thomas geerbt.“
Welche Themen bewegten die Mitglieder aus dem Arbeitskreis?
„Die zweite Jahreshälfte 2022 war vor allem von den vereinfachten Zugängen zur Grundsicherung und der aufkommenden Diskussion ums Bürgergeld geprägt. Wir haben die glückliche Situation beobachtet, dass viele der verbesserten gesetzlichen Regelungen für Empfängerinnen und Empfänger von Grundsicherung das ganze Jahr galten, wobei gleichzeitig fast alle Corona- Regeln aufgelöst wurden. Die Menschen konnten während des letzten Corona-Jahres beim Jobcenter und dem Amt für Soziale Dienste mit teilweise einfacheren Anträgen und gelockerten Prüfungen bei Vermögen und Unterkunftskosten rechnen. Dies war gut und richtig.“
Wie beurteilt der Arbeitskreis den Wechsel von Hartz IV zum Bürgergeld?
„Zunächst hatte die Politik den Plan, die guten Erfahrungen aus den Corona-Sozialschutzmaßnahmen in einer Reform der Grundsicherung zu verstetigen. Als dann das neue Bürgergeld verabschiedet werden sollte, mussten wir aber leider mitansehen, wie viele der guten Reformideen noch vor Jahreswechsel wieder gestrichen wurden. So zum Beispiel – für neue Leistungsberechtigte – eine vormals geplante Vertrauenszeit, welche kurz vor der Abstimmung wieder kassiert wurde. Den Kürzungen ging eine schwer zu ertragene politische Diskussion voraus – maßgeblich befeuert durch eine Kampagne mit Vorurteilen und falschen Statements seitens einiger politischer Kräfte. Geblieben sind jedoch Verbesserungen bei Vermögensprüfungen und Mietkosten. Mit Einführung des Bürgergelds zu Beginn des Jahres 2023 gingen zudem erhöhte Regelleistungen einher. Vor allem das spürbare Plus bei den Auszahlungen der Regelleistungen half vielen Menschen unmittelbar, natürlich auch in Bremen. Außerdem konnten viele von besseren Unterstützungen bei Fort- und Weiterbildungen profitieren, Stichwort hier war die Abschaffung des Vermittlungsvorrangs, was vor allem den Bereich des Jobcenters betrifft.“
Zur Bürgerschaftswahl forderte der Paritätische unter anderem mehr bezahlbaren Wohnraum. Sehen Sie hier Ansätze in der Realität?
„Für Menschen, die in Bremen auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen sind und angesichts gestiegener Preise über die Runden kommen müssen, bestehen noch immer große Schwierigkeiten. Wir haben so wenig Sozialwohnungen wie noch nie. Die Regelleistungen sind zwei Jahre in Folge merklich gestiegen, doch haben aktuelle Berechnungen gezeigt, dass damit gerade einmal die Stagnationen aus den Vorjahren aufgeholt wurden. Es bleibt auch 2024 dabei, dass die aktuellen Leistungen der Existenzsicherung nicht armutsfest sind und deshalb Menschen nicht gleichberechtigt an unserer Gesellschaft teilhaben können. Was bei den Diskussionen um die Höhe der Leistungen oft untergeht: Die Verwirklichung der sozialen Rechtsansprüche scheitert oft an den Zugängen und der Erreichbarkeit der Behörden. Das sehen wir tagtäglich bei unseren Kund*innen. Wenn Fragen oder Anforderungen im Antragsverfahren nicht geklärt werden können, laufen Menschen Gefahr, aus dem Hilfesystem ausgeschlossen zu werden. Das darf ein Sozialstaat nicht zulassen!“
Wie blicken Sie in die Zukunft?
„Zuletzt beobachten wir wieder schärfere Diskussionen um die Gerechtigkeit der sozialen Sicherung, jedoch unter den falschen Vorzeichen. Die Politik scheint die Finanzierbarkeit des Sozialstaats stärker infrage zu stellen und Stimmen werden lauter, das Hilfesystem teilweise wieder zurückzubauen. Doch auch die letzten zwei Jahre haben gezeigt: Es kann keine stabile Gesellschaft ohne starken Sozialstaat geben und es darf keine Diskussion um den Sozialstaat ohne Diskussion um Verteilung von Einkommen und Vermögen geben!“
Rund 40 Organisationen
Koordination: Kirsten Josef, Telefon (0421) 7919947
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Interview mit Kirsten Josef (aus dem Jahresbericht 2022-2024)
Für die Einrichtungen und Träger, die in Bremen und Bremerhaven soziale Arbeit leisten, ergeben sich immer wieder Umsetzungsfragen zu den Regelungen der Sozialgesetzgebung. Juristin Kirsten Josef berät die Mitglieder des Paritätischen Bremen zur Auslegung und Anwendung der Sozialgesetzbücher und anderen rechtlichen Fragen. Zudem vertritt sie den Paritätischen in den Vertrags- und Empfehlungskommissionen – immer in Abstimmung mit den Mitgliedern. Nach Bedarf unterstützt sie auch in Einzelverhandlungen und berät darüber hinaus bei Fragen zu Förderung und Finanzierung.
Was sind die häufigsten Fragen, mit denen sich Mitglieder an Sie wenden?
Kirsten Josef: „Am häufigsten geht es um Satzungsfragen, also zum Beispiel um Vertretungsbefugnisse innerhalb der Organisation oder auch die Rechtssicherheit von Online-Mitgliederversammlungen. Ein Dauerbrenner ist auch das Zuwendungsrecht sowie Fragen zum Besserstellungsverbot. Durch gesetzliche Änderungen kommen auch Fragen aus dem Bereich Arbeitsrecht – etwa zu Datenschutz, Arbeitszeiterfassung, Kündigungsrecht. Allgemein lässt sich sagen: Nahezu alle Mitglieder nutzen unser Angebot der rechtlichen Beratung. Da sich kleine Vereine oft kein juristisches Fachpersonal leisten können, berate ich auch bei Fragen zu Mietrecht, Vereinsrecht, Sozialrecht und auch mal zu strafrechtlichen Fragen.“
Der Paritätische hat viele Mitglieder mit ehrenamtlichen Vorständen. Was sind hier die Themen?
„Auch hier berate ich viel zum Thema Satzung: Wer hat welche Befugnisse? Wofür haftet ein Vorstand? Wie muss die Satzung angepasst werden, wenn es strukturelle Veränderungen gibt, zum Beispiel wenn ehrenamtliche Vorstände ausscheiden und durch hauptamtliche ersetzt werden müssen? Gemeinnützigen Vereinen fällt es zunehmend schwerer, eine Nachfolge für die ehrenamtliche Vorstandsarbeit zu finden. Daher stellen sich immer mehr Vereine die Frage, ob eine Änderung der Rechtsform vom e. V. zur gemeinnützigen GmbH sinnvoll ist. Doch hier muss man sich dann auch die Fragen der Refinanzierung stellen. Zu diesem Thema haben wir daher im Frühjahr eine Veranstaltung angeboten.“
Wie unterstützen Sie im Bereich Entgelte und Rahmenbedingungen?
„Ich sitze für den Paritätischen in diversen Vertrags- und Empfehlungskommissionen. Dort werden auf Landesebene zwischen Behörde, Kranken- und Pflegekassen und den Trägern, also den Organisationen, die Rahmenbedingungen für Leistungen und Entgelte ausgehandelt. In den Verhandlungen geht es beispielsweise um Personalschlüssel, Eingruppierung von Fachkräften, Ausfallzeiten, Finanzierung von Ausbildungskosten, Tarifsteigerungen oder die Bemessung von Sachmitteln. Einzelverhandlungen bereite ich gemeinsam mit dem Mitglied vor, prüfe die Eckdaten und die Kalkulationsblätter auf Plausibilität, da- mit wir zu einem guten Ergebnis kommen. Und wenn’s mal hakt und die Leistungserbringer mit der Behörde keine Einigkeit über die Refinanzierung der Leistung erzielen können, versuche ich zu vermitteln und bringe beide Seiten im wahrsten Sinne an einen Tisch.“
Rund 50 Organisationen aus den Arbeitsfeldern Erziehungshilfe, Jugendförderung, Jugendhilfe
Koordination: Anja Schellin, Telefon (0421) 7919937
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Interview mit Anja Schellin (aus dem Jahresbericht 2022-2024)
Was bewegte die Träger in den vergangenen zwei Jahren?
Anja Schellin: „Im Fokus stand die Wahl zur Bremischen Bürgerschaft im Mai 2023. Mit viel Engagement der Mitglieder wurden inhaltsstarke Themenpapiere zur fachpolitischen Beratung von Kinder- und Jugendhilfeanliegen für die neue Legislatur entwickelt. Erfolgreichen Einsatz fanden diese als Grundlage für zahlreiche Gespräche mit ‚alten‘ wie ‚neuen‘ jugendhilfepolitischen Sprecher*innen. So konnten zum Beispiel Themen wie die Finanzierung der offenen Kinderund Jugendarbeit (OKJA), eine qualifizierte Ganztagsschulgestaltung oder die Entwicklung eines Bremer Fachkonzeptes inklusives SGB VIII ins Gespräch gebracht und mit angestoßen werden. Der Jugendhilfeausschuss hat beispielsweise die Beratung zur Weiterentwicklung des Finanzierungssystems in OKJA aufgenommen, und ein aktueller politischer Antrag der Regierungsparteien formuliert als Zielsetzung die gute Verzahnung der Ganztagsangebote mit außerschulischen Partnern wie Trägern der Kinder- und Jugendhilfe. Die Qualitätsentwicklungsberichte der Erziehungshilfen sollen sich ab 2025 mit ‚Inklusivem Arbeiten‘ befassen, ein wichtiger Grundstein für einen gemeinsamen Diskurs von freier und öffentlicher Jugendhilfe zur Umsetzung des geplanten inklusiven SGB VIII. Viele Wahlthemen sind im gemeinsamen Einsatz Paritätischer Mitglieder damit gut auf den Weg gebracht.“
Was hat die Jugendhilfe noch bewegt?
„Auf den gewaltsamen Tod eines siebenjährigen Jungen im Bremer Stadtgebiet Mitte September 2023 muss in einer Rückschau ohne Frage ebenfalls der Blick gerichtet werden. Rüttelten die Ereignisse rund um das erschütternde Geschehen doch gerade in der Bremer Jugendhilfelandschaft Erinnerungen an den Fall Kevin von 2006 wach, wenngleich sich die Sachlagen unterscheiden. Der gewaltsame Tod eines Kindes hat, gerade vor dem Hintergrund der Historie in Bremen, zum einen starke Betroffenheit, zum anderen einen großen Bedarf an fachpolitischem Austausch ausgelöst. Das Thema Kommunikation und Zusammenarbeit freier und öffentlicher Träger wurde in diesem Kontext erneut sensibilisiert und an verschiedenen Stellen konstruktiv aufgegriffen.“
Was gibt es aus der Arbeit des Erziehungshilfenetzes zu berichten?
„Unter dem Motto ‚Im Dialog bleiben‘ hat das Paritätische Erziehungshilfenetz verschiedene Gäste zum gemeinsamen Fachaustausch begrüßt. Mit Vertreter*innen der Fachabteilung ‚Junge Menschen und Familie‘ des Sozialressorts wurden unterschiedliche Themenfelder gemeinsam erörtert, wie etwa Fragen des Fachkräftebedarfs oder des inklusiven Arbeitens. Im gemeinsamen Austausch mit der Leitung der Schulabteilung (Senatorin für Kinder und Bildung) und weiteren Vertreter*innen des Bildungsressorts wurden Schnittstellenfragen der Erziehungshilfen und Schule in den Blick genommen. Die bestehenden Herausforderungen im Arbeitsfeld der Kinder- und Jugendhilfe bewältigen wir im Sinne des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG) nur partnerschaftlich, also im gelingenden Dialog zwischen freier und öffentlicher Trägerschaft.“
Was wird uns in der Kinder- und Jugendhilfe künftig beschäftigen?
„Eine zentrale Aufgabe besteht in der Klärung der zahlreichen Umsetzungsfragen im Rahmen der erwarteten inklusiven Gesamtzuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe. Die Neustrukturierung der Finanzierungsstruktur in OKJA, die Anpassung des Inobhutnahmesystems an die Bedarfe, die Ausgestaltung einer guten Kooperation von Kinder-/ Jugendhilfe und Schule im qualifizierten Ganztag oder die gelingende Teilhabe geflüchteter Kinder und Jugendlicher an einem gesellschaftlichen Leben sind nur einige Themen im Kanon weiterer Anforderungen. Ein gewinnbringender Baustein für lösungsorientiertes Arbeiten ist dabei die Vielfalt unserer Mitgliedsorganisationen. Im gemeinsamen Paritätischen Austausch untereinander entstehen immer wieder weiterführende Ideen und Ansätze. Das macht Lust aufs Anpacken.“
Rund 45 Träger von Kindertageseinrichtungen (Elternvereine und Kindergärten)
Koordinatorin: Kerstin Kremer, Telefon: 0421 79199-73
Infos zur Beratungsstelle für Kitas von Elternvereinen finden Sie hier
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Interview mit Jürgen Lohse und Birgitt Pfeiffer (aus dem Jahresbericht 2022-2024)
Herr Lohse, das Thema Finanzierung ist bei Kitas ein Dauerbrenner, oder?
Jürgen Lohse: „In der Tat. In Bremen haben Kindertagesstätten und Elternvereine verschiedene Finanzierungsgrundlagen: Referenzwertfinanzierung und Richtlinienfinanzierung. Beide Arten beruhen auf Zuwendungen. Und das ist der eigentliche Skandal, denn Zuwendungen sind haushaltsrechtlich freiwillige Leistungen. Kita-Plätze aber sind gesetzlich normiert, es gibt einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz, und zwar ab dem Alter von einem Jahr. Die Rahmenbedingungen von Zuwendungen, Antragstellung und Verwendungsnachweisführung sind mehr als kompliziert und bürokratisch – gerade im normalen Alltag, insbesondere aber, wenn Sie Plätze ausbauen möchten. Darunter leiden alle Kitas und Elternvereine. Daher sind wir seit Jahren um zweierlei bemüht: erstens nutzen wir unseren Arbeitskreis zum Austausch über Details und Fallstricke in der Zuwendungsfinanzierung, zum anderen machen wir uns für eine Umstellung auf eine Entgeltfinanzierung stark.“
Frau Pfeiffer, wie darf man sich das konkret vorstellen?
Birgitt Pfeiffer: „Der Arbeitskreis hatte vor einiger Zeit eine AG gebildet, in der sich die Träger transparent und vertrauensvoll gegenseitig Einblick in ihre Zuwendungsbescheide gewährten. Ziel war es, einen Überblick über die Bewilligungspraxis der Behörde zu gewinnen und somit die Verhandlungsposition gegenüber der Behörde zu verbessern. Seither tauschen wir uns im Arbeitskreis ganz konkret aus – etwa über eine im Jahr 2023 völlig veränderte Antragstellung. Dazu hatten wir auch Mitarbeitende aus dem Haushaltsreferat der Behörde eingeladen. Eine wichtige Gelegenheit, um auf Schwachstellen in den Formularen hinzuweisen und die Behörde für unsere Sichtweise zu sensibilisieren. Zum anderen haben wir uns intensiv mit dem Hamburger Modell beschäftigt, das Kitas über Entgelte finanziert. Ein solches Entgeltmodell wäre auch in Bremen eine Lösung für ein schlanke, unbürokratische Finanzierung von Kitas und Elternvereinen und es würde den Kita-Ausbau deutlich befördern.“
Welche Themen beschäftigen die Einrichtungen und Träger noch?
Jürgen Lohse: „Ganz wichtig ist für alle der Austausch über Alltägliches, zum Beispiel über den Einsatz von Zeitarbeitskräften oder Kindertagespflegepersonen, die Persönliche Assistenz von Kindern mit Förderbedarfen, den Umgang mit Fachkräften, über die verschiedenen Zweige von Aus- und Weiterbildungen oder Quereinstiegen in den Kitas und Elternvereinen und die Implikationen, die das für Kitas und Elternvereine hat. Eine große Rolle spielt auch die Vor- und Nachbereitung verschiedener Gremien rund um die Kindertagesbetreuung, die Begleitung der Themen der Deputation für Kinder und Bildung oder des Jugendhilfeausschusses. Ein Mitglied unseres Arbeitskreises, Frau Köberlein von Quirl e. V., vertritt uns zudem im Paritätischen Gesamtverband und ermöglicht uns so Einblicke auf die Bundesebene, etwa in das Gute-Kita-Gesetz.“
Wird die Arbeit der Kitas aus Ihrer Sicht ernst genug genommen?
Birgitt Pfeiffer: „Der Kita-Ausbau beschäftigt uns alle ja schon lange, und klar ist, jedes Kind sollte einen Krippen- bzw. Kitaplatz bekommen. Eine andere Debatte ist die über Kitas als Orte frühkindlicher Bildung und Entwicklung – besonders für Bremen, denn viele Kinder wachsen hier in Bildungsarmut auf. Die Pandemie hat den Fokus etwas verschoben und die Betreuungsidee von Kitas in den Vordergrund gerückt. Damit ist die Notwendigkeit von frühkindlicher Bildung, Erziehung und Förderung in den Hintergrund geraten. Öffentlich und auch in der Politik wird vor allem darum gerungen, wie man mehr Kinder betreuen kann und wie das angesichts des Fachkräftemangels auch mit geringer qualifiziertem Personal gelingen kann. Gleichzeitig zeigen uns Studien, dass Benachteiligungen von Kindern mit der bisherigen Ausstattung im Kita-System nicht kompensiert werden können. Wir werden uns weiter dafür stark machen, dass auch wieder mehr über Kitas als wesentliche Orte frühkindlicher Bildung gesprochen wird.“
Rund 50 Organisationen aus den Arbeitsfeldern Teihabe, Behindertenhilfe und Sozialpsychiatrie
Koordination: Kerstin Kremer, Telefon: (0421) 79199-73
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Interview mit Lisa Schwarzien, Koordinatorin bis 3/2025 (aus dem Jahresbericht 2022-2024)
Was hat die Träger und Organisationen in den letzten zwei Jahren bewegt?
Lisa Schwarzien; „2022 und Anfang 2023 waren durchaus noch durch die Covid19- Pandemie geprägt. Für die Träger gab es ja lange noch viele Auflagen, etwa zur Maskenpflicht, zu Hygienebeauftragten, die einrichtungsbezogene Impfpflicht oder die Testpflicht der Beschäftigten. Vieles davon passte irgendwann weder zu den vorherrschenden Virusvarianten noch zu den sinkenden Fallzahlen in den Einrichtungen. Nach der Pandemie waren dann noch viele Fragen zur Refinanzierung offen. Aber das zentrale Thema ist nach wie vor das Bundesteilhabegesetz und seine Ausgestaltung im Land Bremen. In einigen Bereichen, etwa für die Assistenz im Krankenhaus oder für die Beförderung anspruchsberechtigter Personen aus Tagesförderstätten, Fördergruppen und Werkstätten sind inzwischen Rahmenleistungsbeschreibungen definiert worden. Die Finanzierung von Gewaltschutzkonzepten und Frauenbeauftragten steht kurz vor der Verabschiedung, der Schwerpunkt Budget für Arbeit ist noch in Bearbeitung. Was die Träger der Eingliederungshilfe zudem stark beschäftigt, sind die hohen Ausfallzeiten der Beschäftigten. Denn auch nach der Pandemie ist der Krankenstand in der Pflege und Eingliederungshilfe höher als bisher angenommen, sodass die zugrunde gelegten Ausfalltage die Realität nicht mehr abbilden. Hier muss dringend nachgebessert werden, damit die Träger nicht auf den Kosten sitzen bleiben.“
Mit welchen Themen hat sich der Paritätische bei der Bürgerschaftswahl 2023 eingebracht?
„Im Vorfeld der Wahl hatten wir mit den Mitgliedern des Arbeitskreises erörtert, welche Themen sich eignen, um politischen Einfluss zu nehmen. Hier kristallisierten sich drei große Themen heraus: Als großes Problem wurden (und werden) die steigenden Kosten und Bedingungen für Bauvorhaben gesehen. Die von der Behörde anerkannten Preise für Investitionskosten sowie angenommene Mietpreise stehen in keinem Verhältnis mehr zu den stark gestiegenen und aktuell realen Marktpreisen und können über die Entgeltfinanzierung nicht mehr abgedeckt werden. Ein weiterer wichtiger Punkt ist der eklatante Fachkräftemangel und die nicht immer konkurrenzfähige Situation der Aus- und Weiterbildung, zum Beispiel im Vergleich zum benachbarten Niedersachsen. Außerdem waren sich fast alle Träger einig darüber, dass die Bürokratie und der Verwaltungsaufwand die Träger der Eingliederungshilfe an ihrer eigentlichen Arbeit, nämlich der am Menschen, hindere und die Anforderungen an Dokumentations- und Nachweispflichten unbedingt verschlankt werden müssen.“
Stichwort Fachkräftemangel: Was sind hier die speziellen Herausforderungen im Teilhabe-Bereich?
„Auch wenn der Fachkräftemangel alle Bereiche der sozialen Arbeit betrifft, befürchten vor allem die Träger der Eingliederungshilfe ins Hintertreffen zu geraten. Denn im Fokus der Öffentlichkeit stehen meist die klassischen Pflege- und Erziehungsberufe, wenn es um die Verbesserung bei Qualifizierung und Quereinstiegen geht. Bei der Ausbildung der Heilerziehungspfleger*innen gibt es noch viel Luft nach oben, um den Beruf attraktiver zu machen und mehr Menschen den Einstieg zu ermöglichen. Zusatzausbildungen, wie etwa in der Sozialpsychiatrie, sollten auch berufsbegleitend erworben werden können. Hier sind wir als Paritätischer gefragt, diese Probleme weiterhin auf die Agenda zu setzen und die guten Ideen und Impulse aus der Mitgliedschaft hör- und sichtbar zu machen. Darum hat zum Beispiel unser Verbandsrat das Thema Eingliederungshilfe im aktuellen Fachkräftepapier (Anm. d. Red.: Das Positionspapier wurde erst nach Redaktionsschluss veröffentlicht) gesondert aufgegriffen.“
Weitere Themen auf Landes- und Bundesebene:
• Bremisches Wohn- und Betreuungsgesetz
• Reform der Werkstattentgelte
• Reform des Behinderten-Gleichstellungsgesetzes
• Inklusives SGB VIII und Schaffung eines inklusiven Berufsbildungssystems
• Digitale Barrierefreiheit und digitale Teilhabe
• Barrierefreiheit in Arztpraxen, Auswirkungen des E-Rezepts
• Inklusives Gesundheitswesen
• Ambulante Zwangsmaßnahmen
• Ableistische Thesen der AfD