Armut zwischen Pandemie und Inflation: Mehr als jede*r Vierte in Bremen lebt in Armut
Medieninformation
Bremen nach wie vor negativer Spitzenreiter beim Paritätischen Armutsbericht
Bremen, 29. Juni 2022. Die Armut hat in der Pandemie erneut eine traurige Rekordmarke erklommen. Mit 16,6 Prozent mussten im Jahr 2021 13,8 Millionen Menschen in Deutschland zu den Einkommensarmen gerechnet werden, 600.000 mehr als vor der Pandemie. Das geht aus dem Armutsbericht 2022 hervor, den der Paritätische Wohlfahrtsverband am 29. Juni 2022 vorgestellt hat. Er basiert, wie in jedem Jahr, auf den Erhebungen und Berechnungen des Statistischen Bundesamtes auf.
„Die Befunde sind erschütternd. Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie schlagen voll durch. Noch nie hat sich die Armut in jüngerer Zeit so rasant ausgebreitet wie während der Pandemie”, so Wolfgang Luz, Vorstand des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in Bremen.
Armutsquote in Bremen bei 28 Prozent
Der Armutsbericht geht auch auf die Lage in den Bundesländern ein. Der Abstand zwischen Bayern (12,6 Prozent) und dem schlechtplatziertesten Bundesland Bremen (28,0 Prozent; Stadt Bremen: 26,8 Prozent, Bremerhaven: 33,5 Prozent) ist alarmierend. Damit führt Bremen wie im Vorjahr die Tabelle mit deutlichem Abstand an. Zwar ist die Bremer Armutsquote zum Vorjahr leicht gesunken (-1,4 %), doch der Ländervergleich zeige, dass „Deutschland nicht nur sozial, sondern auch regional ein tief gespaltenes Land ist und die Gräben immer tiefer werden“, so Wolfgang Luz. Selbst das Ruhrgebiet weise „nur“ eine Quote von 21,2 Prozent auf, Bayern kam im Jahr 2021 auf 12,6 Prozent. Die bundesdurchschnittliche Armutsquote liegt 2021 bei 16,6 (Zuwachs um 2,5 Prozent).
Armutsquote steigt bei Erwerbstätigen
Armutshöchststände verzeichnen im Bundesschnitt vor allem Rentner*innen (17,9 Prozent) sowie Kinder und Jugendliche (20,8 Prozent). Auffallend ist ein ungewöhnlicher Zuwachs der Armut unter Erwerbstätigen. Zwar wirkten vor allem das Kurzarbeitergeld, aber auch das Arbeitslosengeld I durchaus als Instrumente der Armutsbekämpfung, jedoch nicht bei Personen, die nur prekär beschäftigt sind oder erst in Coronazeiten ihre Jobs verloren haben. „Da liegt die Vermutung nahe, dass die hohe Armutsgefährdungsquote in Bremen auch mit einer Zunahme der prekären Beschäftigung zusammenhängt“, sagt Wolfgang Luz. Ein Indiz dafür sei die relativ stabile SGB-II-Quote (siehe S. 6/7 des Armutsberichts). Auch Menschen, die bisher nur knapp über der Armutsgefährdungsquote gelegen haben und durch die Pandemie längerfristig in Kurzarbeit gegangen sind, zählten nun mit zu den Armutsbetroffen.
Forderungen zur Armutsbekämpfung
Der Paritätische Gesamtverband rechnet angesichts der aktuellen Inflation mit einer weiteren Verschärfung der Lage und appelliert an die Bundesregierung, umgehend ein weiteres Entlastungspaket auf den Weg zu bringen: Grundsicherung, Wohngeld und BAföG seien bedarfsgerecht anzuheben und deutlich auszuweiten, um zielgerichtet und wirksam Hilfe für einkommensarme Haushalte zu gewährleisten.
„Wie unser Gesamtverband halten wir einen Regelsatz von 644 Euro für einen alleinlebendenden Erwachsenen für bedarfsgerecht“, so Wolfgang Luz vom Paritätischen Bremen. Angesichts der gravierenden Zahlen bekräftigt der Paritätische seine Forderungen zur Armutsfolgenbekämpfung in Bremen in vielen Politikfeldern. „Für Bremen bedeutet das: Anstrengungen zur Verbesserung der Jugendhilfe, zum Ausbau der Kindertagesbetreuung und von Ganztagsschulen, der sprachlichen Bildung und der Arbeitsmarktpolitik, der Wohnungsbaupolitik und der sozialen Stadtteilentwicklung“, so Wolfgang Luz.
Die Armutsquoten im Paritätischen Armutsbericht beruhen auf dem sogenannten Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes. Beim Mikrozensus (kleine Volkszählung) wird nach einer Zufallsstichprobe jährlich etwa ein Prozent aller Haushalte in Deutschland befragt.
Armutsbericht 2022 (für das Jahr 2021) als PDF
Infos zur Methodik, Grafiken und Zitate: www.der-paritaetische.de/armutsbericht
Weitere Pressemeldungen zum Thema:
- Vorstellung des Armutsbericht 2022 (29.6.22 Paritätischer Gesamtverband)
- Das Entlastungspaket vergisst die Einkommensschwachen (28.4.22, Paritätischer Bremen)