Paritätisches Jahresgutachten: Verband konstatiert wachsende soziale Ungleichheit und fordert neue soziale Sicherungspolitik
Der Verband fordert den Ausbau der sozialen gemeinnützigen Infrastruktur in der Fläche, eine Stärkung individueller sozialer Rechte und Reformen der sozialen Sicherungssysteme. In seinen Jahresgutachten untersucht der Paritätische regelmäßig anhand von amtlichen Daten und der Bundesgesetzgebung, wie es um soziale Lage und gesellschaftlichen Zusammenhalt in Deutschland steht.
Das aktuelle Jahresgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass schwerwiegende und ungelöste soziale Probleme das Bild einer insgesamt guten gesamtwirtschaftlichen Lage trüben: „Die Einkommenszuwächse in Deutschland sind höchst ungleich verteilt, die Vermögenskonzentration und damit die Spreizung nehmen zu. Die immer tiefer werdende Kluft zwischen Arm und Reich gefährdet den sozialen Zusammenhalt massiv“, so Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbands. Die gute Beschäftigungsentwicklung könne nicht über die tiefen Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt hinwegtäuschen. Zudem gebe es massive Defizite in der Infrastruktur, wobei sich extreme regionale Disparitäten zeigen: „Von einer ‚Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse‘, wie sie das Grundgesetz fordert, sind wir sternenweit entfernt. Statt kurzer Wege für ein gutes Leben für alle überall, fehlt es in vielen Regionen an adäquater Infrastruktur und Grundversorgung“, so Rosenbrock. Die Bundesregierung habe im Berichtsjahr 2018 zwar durchaus einige Gesetze realisiert, die im Ansatz gut und geeignet waren, den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu fördern. Das Jahresgutachten kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass die Vorhaben in der Regel zu rigide in den Voraussetzungen bzw. viel zu klein dimensioniert waren. „Aufgabe des Sozialstaates ist es nicht zuletzt, durch solidarische, sozial gerechte Umverteilung für einen Ausgleich zu sorgen. Tatsache aber ist: Die bestehenden sozialen Sicherungssysteme erodieren und verlieren zunehmend ihre Funktionsfähigkeit. Die sozialpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung greifen zu kurz und erreichen in vielen Fällen nur einen Bruchteil der betroffenen Zielgruppen“, so Rosenbrock.
Der Paritätische fordert eine neue „soziale Sicherheitspolitik, verstanden als Politik für soziale Sicherheit und Zusammenhalt“ und schlägt dazu Reformen u.a. bei den Grundsicherungsleistungen, der Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung vor. Darüber hinaus fordert er einen massiven Ausbau sozialer Infrastruktur und plädiert für einen Vorrang der Gemeinnützigkeit: „Es gibt Bereiche, in denen haben Profitinteressen nichts verloren“, so Rosenbrock. Am aktuellen Beispiel der Wohnungspolitik zeige sich der akute Handlungsbedarf: „Was gemeinnützige und zivilgesellschaftliche Organisationen selbstorganisiert und ohne Gewinnausschüttungen schaffen können, das muss wieder Vorrang vor privaten Renditeinteressen oder staatlicher Regulierung bekommen“, so Rosenbrock. Zur Finanzierung fordert der Paritätische einen steuerpolitischen Kurswechsel. Die vieldiskutierte Vermögensteuer könne dabei allenfalls ein erster Schritt sein.