Mehr als jede/r vierte Einwohner*in Bremen lebt in Armut
Paritätischer Wohlfahrtsverband veröffentlicht 11. Armutsbericht mit Zahlen aus dem ersten Pandemiejahr 2020
Das Bundesland Bremen verzeichnet mit 28,4% (2020) die höchste Armutsgefährdungsquote von allen Bundesländern. „Auch wenn die Zahlen aus den Erhebungen 2019 und 2020 aus methodischen Gründen nur bedingt vergleichbar sind, sieht man doch eine starke negative Entwicklung für Bremen. Bremens Quote liegt fast acht Prozentpunkte über den auch hohen Quoten der Bundesländer Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt. Der Abstand zwischen den Bundesländern Bayern und Bremen beträgt mittlerweile16.8 Prozentpunkte“, sagt Wolfgang Luz, Vorstand des Paritätischen Bremen.
Die Statistiken des Paritätischen Gesamtverbandes - basierend auf Zahlen des Mikrozensus - geben einen Überblick, in welchen Bundesländern und Regionen besonders viele sozial Benachteiligte leben. Als arm gilt, wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens (Median) erreicht. Dazu zählen Menschen, die von Arbeitslosengeld II leben oder auch ein geringes Einkommen haben. 2020 lag diese Schwelle für einen Einpersonen-Haushalt bei 1.126 Euro, bei einer Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 2.364 Euro.
Der Paritätische beleuchtet in seinem Zahlenwerk auch besondere Risikogruppen. Dabei entspricht das soziodemografische Risikoprofil im Wesentlichen dem der Vorjahre. Das höchste Armutsrisiko von allen Haushalten zeigten danach mit 40,5 Prozent Haushalte von Alleinerziehenden (in Bremen 57,4%). Besonders stark betroffen sind auch Erwerbslose mit 52% (in Bremen 64,5). Auch Kinder (Unter-18jährige) leiden sehr häufig unter Armut (2020 20,2%). In Bremen liegt die Quote der armutsgefährdeten Kinder doppelt so hoch, bei 42,0%.
Die Zahlen geben einen Einblick in die Armutsentwicklung in der Bundesrepublik und in Bremen im ersten Pandemiejahr. Vor allem das Kurzarbeitergeld, aber auch das Arbeitslosengeld I wirkten durchaus als Instrumente der Armutsbekämpfung. Die Instrumente wirken aber nicht bei Personen, die nur prekär beschäftigt sind und in Coronazeiten ihre Jobs verloren haben. „Da liegt die Vermutung nahe, dass die hohe Armutsgefährdungsquote in Bremen auch damit zusammenhängt“, sagt Wolfgang Luz.
Die allgemeinen Folgen der Pandemie trafen Arme ungleich härter. Corona in zu kleinen Wohnungen, schlechte Lern- und Lebensbedingungen im Homeschooling, hinzu kam, dass viele Unterstützungsangebote wie z. B. Schulessen zunächst wegfielen. Ein Kinderbonus von 300 Euro pro Kind wurde erst in der zweiten Jahreshälfte 2020 ausgezahlt. Dieser wurde zumindest nicht mit Hartz-IV-Leistungen verrechnet, wie es sonst üblich ist.
Um Armut wirksam zu bekämpfen bleibt es bundespolitisch bei der Forderung nach einer deutlichen Erhöhung der SGB II-Regelsätze. Auch wenn die Koalition im Bund jetzt ein sogenanntes „Bürgergeld“ einführen will, so ändert das zunächst nichts, denn nicht der Name sondern die Höhe der Leistung ist entscheidend. Der Paritätische hält einen Regelsatz von 644 Euro für einen alleinlebendenden Erwachsenen für bedarfsgerecht. Dagegen werden die Regelsätze zum Januar 2022 lediglich um drei Euro monatlich auf 449 Euro für einen Alleinstehenden erhöht.
Angesichts der gravierenden Zahlen bekräftigt der Paritätische Bremen seine Forderungen zur Armutsfolgenbekämpfung in Bremen in vielen Politikfeldern. „Für Bremen bedeutet das: Anstrengungen zur Verbesserung der Jugendhilfe, zum Ausbau der Kindertagesbetreuung und von Ganztagsschulen, der sprachlichen Bildung und der Arbeitsmarktpolitik, der Wohnungsbaupolitik und der sozialen Stadtteilentwicklung“, sagt Wolfgang Luz.
Der Armutsbericht 2021 basiert auf Daten der Statistischen Landesämter. Den Bericht sowie weitere Infos finden Sie unter https://www.der-paritaetische.de/armutsbericht