Hartz IV: Sanktionsfrei und Paritätischer Gesamtverband fordern menschenwürdige, sanktionsfreie und bedarfsdeckende Grundsicherung
Mit Großplakaten, die für die nächsten zehn Tage bundesweit an S- und U-Bahnhöfen aushängen, starten Sanktionsfrei e.V. und der Paritätische Wohlfahrtsverband heute unter dem Motto „HartzFacts“ eine gemeinsame Informationskampagne, um Vorurteile gegenüber Hartz IV-Beziehenden auszuräumen. Ziel ist es, Betroffenen den Rücken zu stärken und politischen Druck aufzubauen für eine menschenwürdige Grundsicherung. Die beiden Organisationen fordern eine Abschaffung der Sanktionen und die deutliche Anhebung der Regelsätze in der Grundsicherung auf ein bedarfsgerechtes Niveau von mindestens 600 Euro.
„‘HartzFacts‘ – der Name der Kampagne ist bereits die Kernbotschaft: Hartz 4 ist nicht einfach nur ein Volksbegriff für eine staatliche Leistung. Hartz 4 ist Stigma, ist Meinung, ist Urteil. Aber vor allem ist es ein Vorurteil! Wie so oft ist auch diese Diskriminierung ein unbewusster und unterschwelliger Prozess und gerade deswegen so gefährlich. Genau deshalb machen wir diese Kampagne“, so Helena Steinhaus, Gründerin von Sanktionsfrei e.V.. Nach einer repräsentativen Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Forsa vom März 2020 sind Vorurteile gegenüber Hartz-IV-Beziehenden in der Bevölkerung nach wie vor weit verbreitet: Dass Hartz-IV-Beziehende bei der Job-Auswahl zu wählerisch seien, glaubt mit 45 Prozent fast die Hälfte der Befragten und etwas über die Hälfte neigt der Aussage zu, dass Hartz IV-Beziehende „nichts Richtiges“ zu tun hätten. Dem gegenüber stehen die empirischen und statistischen Fakten, nach denen nur rund ein Viertel der Hartz-IV-Beziehenden tatsächlich arbeitslos ist, während der Großteil erwerbstätig, in Ausbildung oder Qualifizierungsmaßnahmen oder mit der Pflege oder Erziehung von Angehörigen beschäftigt ist und daher dem Arbeitsmarkt derzeit nicht zur Verfügung steht.
Die Pläne zur Neuregelung der Regelsätze zum 1.1.2021 werden scharf als absolut unzureichend kritisiert. „Es wäre ein Skandal und ein politisches Armutszeugnis sondergleichen, wenn Hilfebedürftige in Hartz IV und in der Grundsicherung für alte und erwerbsgeminderte Menschen für weitere fünf Jahre auf Beträge verwiesen werden, die mit Bedarf und Lebensrealität in Deutschland wirklich nichts zu tun haben. Es darf nicht sein, dass Armut in Deutschland für weitere fünf Jahre regierungsamtlich festgeschrieben wird“, kritisiert Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands. „Anstatt sich hinter Statistiken zu verstecken, sollte sich die Politik endlich den Menschen zuwenden.” Die Kritik an der zu geringen Regelsatzhöhe wird durch ein weiteres Ergebnis der Forsa-Umfrage untermauert. So gehen die allermeisten Menschen nicht davon aus, dass die für Hartz IV und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung vorgeschlagenen Regelsatzbeträge ausreichend sind, um den Lebensunterhalt bestreiten zu können. Der Betrag, der im Durchschnitt der Befragten für nötig erachtet wird, liegt mit 728 Euro um 66 Prozent über dem Regelsatz, der nach den jüngst bekannt gewordenen Plänen des Bundesarbeitsministeriums ab 1.1.2021 gelten soll.
Konkret fordern Sanktionsfrei und der Paritätische eine bedarfsgerechte Anhebung der Regelsätze und eine vollständige Abschaffung von Sanktionen: „Gemeinsam fordern wir ein System, das absichert und nicht verunsichert. Ein System, das die Menschen unterstützt, ihnen Mut macht und eine menschenwürdige Grundsicherung garantiert“, heißt es auf der gemeinsamen Kampagnen-Webseite https://hartzfacts.de, auf der auch Geschichten, Fakten und Vorurteile, sowie ein Wissens-Quiz zu finden sind.