Eine gute praktische Pflege-Ausbildung ist kein Selbstläufer!

Logo Armutskonferenz

Seit Januar 2020 gelten bundesweit für alle neu begonnenen Ausbildungen in der Pflege die Rahmenbedingungen der neu geschaffenen generalistischen Pflegeausbildung. Im Vergleich zu den drei vorherigen Ausbildungsgängen Kinderkrankenpflege, Altenpflege und Gesundheits- und Krankenpflege führt die neue Ausbildung alle drei Einsatzbereiche zu einer gemeinsamen Ausbildung zusammen. Die Auszubildenden lernen in den Theorie-Blöcken und den wechselnden Praxiseinsätzen in den Betrieben alle Einsatzorte kennen: Krankenhäuser, ambulante Pflegedienste und stationäre Pflegeheime, Kinderkrankenpflege und Psychiatrie.

Das stellt auch die Träger der praktischen Ausbildung, also die Ausbildungsbetriebe vor Herausforderungen, wie die neuen Abläufe und die Rotation der Auszubildenden zu organisieren sind und wie die Auszubildenden gut in ihrem Lernerfolg unterstützt werden können.

Eigens zu diesem Zweck hat sich der Weser Bildungsverbund Gesundheit und Pflege e.V. Ende 2018 gegründet und sich zur Aufgabe gesetzt, die Betriebe in der Region Bremen und umzu bei der neuen Ausbildung zu unterstützen. Der Verein – der auch Mitglied im Paritätischen Landesverband Bremen ist – und der Paritätische Landesverband Bremen hatten am 10.09.2020 ihre Mitgliedsorganisationen zu einer gemeinsamen Veranstaltung eingeladen, die sich speziell mit den Anforderungen als Träger der praktischen Ausbildung auseinandersetzte:

Die generalistische Pflegeausbildung in der Praxis: Anforderungen, Gestaltungsspielraum und Erfolgsfaktoren für die Träger der praktischen Ausbildung

Blickwinkel ändern: die unterschätzte Rolle der Praxisanleitungen

Die Ausbildungsbetriebe – im Pflegeberufegesetz als Träger praktischen Ausbildung (TdPA) bezeichnet – nehmen eine ganz zentrale Rolle für den Ausbildungserfolg ein. Um diese Rolle, die Gestaltungspielräume und die gesetzten Rahmenbedingungen für die TdPA in der Umsetzung der Ausbildung genauer zu erörtern und auf Gestaltungsspielräume hinzuweisen, wurden im Rahmen der Veranstaltung unterschiedliche Aspekte in drei Vorträgen vertieft.

Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Träger der praktischen Ausbildung wurden von Ludmilla Dause, Beraterin für die Region Niedersachsen/Bremen beim Beratungsteam Pflegeausbildung des Bundesamtes für zivilgesellschaftlichen Aufgaben (BAfzA) erläutert. Mit der generalistischen Pflegeausbildung wurde im Gesetz festgeschrieben, das für 10% der praktischen Einsatzzeit aller Auszubildenden eine qualifizierte Praxisanleitung durch den Betrieb erfolgen muss. Diese Praxisanleitung ist zu dokumentieren, und ist für jeden einzelnen Einsatz während der Dauer des Einsatzes zu erbringen. Betriebe sind also gut beraten, für jeden praktischen Einsatz eines Auszubildenden die Zeiten der Praxisanleitung vorab einzuplanen und im Dienstplan zu berücksichtigen. Ein „Nachholen“ der Praxisanleitung im nächsten Praxisblock ist nicht möglich. Aber auch zur kostenlosen Bereitstellung der Lehr- und Lernmittel, zur Freistellung für Schulbesuche und Prüfungen und zur Rücksichtnahme auf Lern- und Vorbereitungszeiten der Auszubildenden sind die Träger der praktischen Ausbildung nach dem Pflegeberufegesetz gesetzlich verpflichtet.

Über die Finanzierung der Ausbildungskosten für die Träger der praktischen Ausbildung informierte Anja Vedder, Koordinatorin für den Fachbereich Altenhilfe/Pflege beim Paritätischen Landesverband Bremen. Die Finanzierung der Gesamtkosten für die generalistische Pflegeausbildung erfolgt über ein Umlageverfahren.  Alle Krankenhäuser, Pflegedienste und –heime müssen in diesen Ausgleichsfonds einzahlen – unabhängig davon, ob und wie viel sie ausbilden. Aus dem Ausgleichsfonds werden dann die tatsächlichen Ausbildungskosten an die Ausbildungsbetriebe erstattet: Die Ausbildungsvergütung für die Auszubildenden (abzüglich Wertschöpfung im 2. und 3. Ausbildungsjahr), das Ausbildungsbudget für die Pflegeschule sowie das Ausbildungsbudget zur Refinanzierung der Kosten für die Praxisanleitung bei den Trägern der praktischen Ausbildung.  Letzteres wurde in Bremen – wie auch in den meisten anderen Bundesländern - als Pauschalbudget verhandelt. Das heißt: alle Krankenhäuser, alle ambulanten Pflegedienste und alle stationären Einrichtungen der Pflege in Bremen und Bremerhaven erhalten unabhängig von Größe, Vergütungsstruktur oder sonstigen tatsächlichen Kosten im Land Bremen einheitlich die gleiche pauschale Summe pro Auszubildenden und Jahr für die Praxisanleitung.

In der Finanzierungsverordnung zum Pflegeberufegesetz sind die Kostenarten festgeschrieben, die im Ausbildungsbudget zu berücksichtigen sind: Praxisanleitung (vor allem Personal- und Weiterbildungskosten), Sachaufwandkosten (Lehr- und Lernmittel, Bürokosten etc), sonstiger Personalaufwand (anteilige Kosten für Verwaltung und zentrale Dienste), und Betriebskosten der Gebäude. Im Land Bremen gibt es dafür pro Azubi pro Jahr 7950 Euro in 2020, und 8166 Euro in 2021. Rechnerisch wird davon der größte Teil für die Praxisanleitung zu veranschlagen sein. Ein Anhaltswert aus der Kalkulation des Budgets besagt: Rund 80% der Gesamtsumme entfallen im Schnitt auf Personal- und Fortbildungskosten für Praxisanleiter/innen, einschließlich der Kosten für die Organisation der unterschiedlichen Einsatzorte. Es liegt in der Verantwortung der Träger, das Budget – das ausschließlich für die Ausbildungskosten zu verwenden ist – für die gesetzlichen Aufgaben klug einzusetzen. Nicht nur, um die gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen, sondern vor allem, um den Auszubildenden eine qualitativ hochwertige Ausbildung zu ermöglichen, und die Fachkräfte von morgen für den eigenen Betrieb begeistern zu können.

Aber wie sieht eine qualitativ hochwertige Praxisanleitung im Sinne des Pflegeberufegesetzes aus, und welche Rahmenbedingungen werden dazu gebraucht? Ilke Schulte-Guhlke, Pflegewissenschaftlerin und selbst Praxisanleiterin, ging darauf in Ihrem Vortrag Die neue (und häufig noch unterschätzte) Rolle der Praxisanleitung ein, und gab dazu Einblicke aus und für die Praxis.

Die im Gesetz definierte Vorgabe über 10% nachzuweisender Praxisanleitung ist mit besonderen Anforderungen verbunden und die Erbringung ist zu dokumentieren. Als Praxisanleitung im Sinne der 10% Regel gelten laut Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (PflAPr) Vor-, Zwischen- und Abschlussgespräche, Beurteilungsgespräche, thematische Vor- und Nachbereitung der Azubis für die jeweiligen Anleitersituationen, sowie alle Formen einer gezielten Anleitung, Bearbeitung und Beurteilung der Lernaufgaben oder Förderbedarfsgespräche durch den bzw. die Praxisanleiter/in. Aber auch einzelne Anleitungsthemen, die in Absprache mit der Praxisanleitung von Spezialisten übernommen werden (z.B. Wundmanager), können Bestandteil dieser 10% Praxisanleitung sein, die Praxisanleitung sollte dies aber mitbegleiten. Anleitung zur Vorbereitung auf die Prüfung ist ebenfalls eingeschlossen, wenn diese durch die Praxisanleitung erfolgt.

Keine Anleitung im Sinne der 10%-Regel hingegen sind: Vor-, Zwischen-, und Abschlussgespräche, die nicht von der Praxisanleitung vorgenommen werden, oder Anleitung oder Beurteilung durch andere. Auch zeitgleiches Arbeiten von Azubis und Praxisanleitung ohne Konzept und Planung oder inhaltliche Pauschalangaben wie z.B. „6 Stunden Einarbeiten in der ersten Schicht“ gelten nicht als 10% nachgewiesene Praxisanleitung. Ungeplantes Beobachtungslernen ohne jegliche Konzeption und Planung (“komm, ich zeige dir etwas“) oder übendes, wiederholtes Ausführen der angeleiteten Tätigkeit sind ohne Frage wichtiger Bestandteil einer praktischen Ausbildung, jedoch sind diese dann als Teil der restlichen 90%-Einsatzzeit zu sehen, und können nicht als gezielte Praxisanleitung dokumentiert werden. Gleiches gilt für das Zeigen der Räumlichkeiten, Vorstellen der Teammitglieder, Pflichtfortbildungen wie z.B. Brandschutz oder Erste-Hilfe-Kurs.  Die restlichen 90% der Einsatzzeit der Azubis sind nicht zur Verwendung als vollwertige Arbeitskraft gedacht. Sie sind für nicht geplante und dokumentierte Anleitung durch die Praxisanleitung oder durch andere Mitarbeiter/innen, für das Lernen durch Arbeitshandeln im realen Arbeitsprozess, zur Vertiefung des in Theorie und Praxis Erlernten oder für die Erfüllung der in den Rahmenausbildungsplänen aufgeführten Aufgabenstellungen und Pflegesituationen vorgesehen. Diese Zeiten sind für alle Formen des begleiteten Lernens (Beobachten, gemeinsames Handeln, Reflektieren) sinnvoll einsetzbar, wenn sich alle Beschäftigten im Betrieb für den Nachwuchs mitzuständig fühlen und die Ausbildung und Einarbeitung der Fachkräfte von morgen nicht allein den Praxisanleitungen überlassen.

Das Fazit der Veranstaltung fasste Marlis Kawohl Referentin für Generalistik des Weser Bildungsverbunds Gesundheit und Pflege e.V. als Moderatorin der Veranstaltung zusammen: Im eigenen Betrieb auszubilden, bedeutet in die Zukunft zu investieren. Eine gute Ausbildung ist ein wichtiger Bestandteil der Personalentwicklung und trägt zur Qualitätssicherung und -entwicklung einer Einrichtung bei. Alle Einrichtungen, Krankenhäuser und Pflegedienste benötigen so dringend gut ausgebildete Fachkräfte, daher müssen die Betriebe auch auf allen Ebenen – bis hin zur Geschäftsführung - für eine hochwertige Ausbildung Sorge tragen. Eine gute praktische Ausbildung ist kein Selbstläufer. Praxisanleitung ist im hohen Maße ein Beziehungsgeschehen. Das Vorleben und Vermitteln sozialer und emotionaler Kompetenz kombiniert mit hoher Fachlichkeit ist eine besondere Herausforderung. Wir alle benötigen so dringend gut ausgebildete Pflegekräfte und Pflegfachkräfte, dazu tragen gute Rahmenbedingungen in der praktischen Ausbildung viel bei.

Zurück