Der Armuts- und Klimakrise in Bremen gemeinsam begegnen
Große Resonanz bei Bremer Armutskonferenz im Tabakquartier

Medieninformation
Bremen, 03.03.2025. Auf der 6. Bremer Armutskonferenz haben (heute) rund 300 Gäste im Bremer Tabakquartier zum Thema „Armut und Klimaschutz“ diskutiert und politische wie praktische Lösungsansätze entwickelt. Am Vormittag wurde im Linnemann-Saal der Bremer Philharmoniker zunächst aus wissenschaftlicher Perspektive aufgezeigt, wie die Folgen der Klimakrise bestehende Armuts- und Gesundheitsrisiken weiter verschärfen. Denn auch in Bremen sind vor allem die Wohnquartiere, in denen viele Menschen mit wenig Geld leben, durch hohe Versiegelung und schlecht gedämmte Gebäude gekennzeichnet.
Der Umweltsoziologe Prof. Dr. Bernd Sommer von der Technischen Universität Dortmund betonte, dass Klimaschutz nur dann erfolgreich sein werde, wenn er konsequent als soziale Frage und nicht nur als technische Herausforderung begriffen werde. „Einkommensstarke Gruppen tragen mit ihren Emissionen überproportional zum Klimawandel bei, können sich aber besser vor den Folgen schützen. Zudem belasten Klimaschutzmaßnahmen bislang vor allem benachteiligte Gruppen in der Gesellschaft“, so Sommer.
Dass der Politik durchaus Instrumente und Konzepte bekannt sind, die Emissionen senken und zugleich für sozialen Ausgleich zu sorgen, zeigte Soziologe Dr. René Böhme vom Institut für Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen anhand konkreter Beispiele aus Bremen. Er bezeichnete die Bereiche Industrie, Wohnen und Mobilität als die zentralen Hebel für mehr Klimaschutz in Bremen. „Die ‚Problembären des Klimaschutzes‘ sind die privilegierten Quartiere Bremens, nicht etwa die sozial benachteiligten Gebiete“, sagte Böhme.
Eine der zentralen Forderungen der Armutskonferenz: den Blick stärker auf Verhältnisse anstatt auf individuelles Verhalten zu richten. „Viele Projekte versuchen Bevölkerungsgruppen mit dem geringsten CO2-Fußabdruck zu nachhaltigem Konsum und Verhalten zu bringen. Die Armutskonferenz schlägt hier eine Fokusverschiebung vor, sodass bei der sozialökologischen Transformation der Umbau der (öffentlichen) Infrastruktur stärker im Mittelpunkt steht“, so Birgitt Pfeiffer, Vorständin des Paritätischen Bremen und Sprecherin der Armutskonferenz. Es dürfe nicht vom Geldbeutel abhängen, ob Umstiege zu einer gesunden, ökologischen Ernährung oder zu klimafreundlichem Wohnen überhaupt möglich seien, so Pfeiffer.
Das Bündnis rund um die Armutskonferenz fordert daher (unter anderem) einen „Sozialcheck beim Klimaschutz“ sowie den Aufbau eines Monitoring-Systems ähnlich zum Berliner Umweltgerechtigkeitsatlas. Es brauche mehr Daten, um soziale Fragen beim Klimaschutz nicht aus dem Blick zu verlieren. Dafür sollte Bremen ein integriertes und kleinräumiges Monitoring entwickeln, das Daten aus Soziales, Umwelt und Gesundheit umfasst und sozioökonomische Faktoren wie Einkommen und Vulnerabilität berücksichtigt. Die Maßnahmen der Klimaschutzpolitik sollten zudem stärker zielgruppenspezifisch gedacht werden, etwa mit besonderem Fokus auf Kinder, Jugendliche, ältere Menschen, Frauen, wohnungs-/obdachlose Menschen sowie Menschen mit Beeinträchtigungen.
Ziel der Bremer Armutskonferenz ist es, mit möglichst breiter Beteiligung zu erörtern, wie und wo Menschen mit wenig Geld konkret durch die Klimakrise betroffen sind und welche (strukturellen) Schutzmaßnahmen in Bremen erforderlich und umsetzbar sind. Dazu teilten sich die Teilnehmenden am Nachmittag auf sechs Themenforen auf, die mit Unterstützung verschiedener Akteure im „Zentrum für Kunst“ stattfanden. Dort wurden Aspekte wie Wohnen, Stadt- und Quartiersentwicklung, Mobilität, Energie und Wärme, Ernährung sowie die Berücksichtigung sozialer Fragen bei Klimabewegungen vertiefend betrachtet und diskutiert. Die erarbeiteten Forderungen und Lösungsansätze sollen in den kommenden Wochen an den Bremer Senat übergeben werden.
Kernforderungen der 6. Bremer Armutskonferenz auf einen Blick
- Sozialcheck beim Klimaschutz: Bremen muss seine gesamte Klimastrategie einem Sozialcheck unterziehen, d.h.: Alle Klimaanpassungsmaßnahme und Förderprogramme darauf prüfen, ob auch Menschen mit geringem Einkommen ausreichend berücksichtigt werden und welche Folgen sie für Menschen in benachteiligten Lebenslagen haben.
- Verhältnisse statt Verhalten in den Blick nehmen: Viele bremische Aktivitäten mit Blick auf Menschen aus sozial benachteiligten Lebenslagen bzw. Quartieren setzen an der Verhaltensebene an und versuchen den nachhaltigen Konsum insbesondere derjenigen Menschen mit dem geringsten CO2-Fußabdruck noch weiter zu fördern. Die Armutskonferenz schlägt hier eine Fokusverschiebung vor, sodass bei der sozialökologischen Transformation der Umbau der (öffentlichen) Infrastruktur stärker im Mittelpunkt steht (ÖPNV, Hitzeschutz in Einrichtung, Wärmenetze, Energieversorgung).
- Aufbau eines Monitoring-Systems: Es braucht mehr Daten, um beim Klimaschutz soziale Fragen nicht aus dem Blick zu verlieren. Bremen sollte deshalb für Planungsprozesse ein integriertes und kleinräumiges Monitoring entwickeln, das unterschiedliche Daten aus den Bereichen Soziales, Umwelt und Gesundheit umfasst und sozioökonomische Faktoren wie Einkommen und Vulnerabilität berücksichtigt (Beispiel: Umweltgerechtigkeitsatlas Berlin).
- Zielgruppenspezifische Ansätze entwickeln: Die Folgen des Klimawandels als auch die konkreten Maßnahmen der Klimaschutzpolitik müssen stärker zielgruppenspezifisch gedacht werden, da sie verschiedene gesellschaftliche Gruppen unterschiedlich betreffen. Mögliche Fokusgruppen für die Entwicklung konkreter Ansätze können dabei Kinder, Jugendliche, ältere Menschen, Frauen, wohnungs-/obdachlose Menschen sowie Menschen mit Beeinträchtigungen sein.
- Ressortübergreifendes Arbeiten beim sozialen Klimaschutz: Sozialer Klimaschutz ist nicht allein die Aufgabe der Umweltsenatorin. Der Bremer Senat muss deshalb auch hier stärker ressortübergreifend arbeiten. Klimaschutz braucht mindestens die Ressorts Bau und Verkehr, Soziales/Arbeit, Bildung, Gesundheit und Wirtschaft an einem Tisch.
Weitere Infos und Programm der Armutskonferenz: www.paritaet-bremen.de/armutskonferenz2025
Die Bremer Armutskonferenz besteht aus verschiedenen Bremer Akteur*innen: Dazu gehören in diesem Jahr Der Paritätische Bremen, Arbeitnehmerkammer Bremen, Landesvereinigung für Gesundheit (LVG & AFS Nds. HB e. V.), Arbeiterwohlfahrt (AWO), Deutsches Rotes Kreuz (DRK), Diakonisches Werk, Bremer Caritasverband, Bremer Volkshochschulen (VHS), Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt (KDA), Bremer Kinderschutzbund, die Bremer Quartiersmanager*innen sowie als Kooperationspartner*innen: Bremer Energie-Konsens GmbH, VCD Landesverband Bremen, denkhausbremen sowie BUND Bremen.