Fast jede dritte Person in Bremen von Armut betroffen

Land Bremen erneut negativer Spitzenreiter beim Paritätischen Armutsbericht

Porträt einer Frau. Zitat: "Wir erwarten vom Bremer Senat, dass er seine Anstrengungen verstärkt, um Menschen dabei zu unterstützen, Wege aus der Armut zu finden und Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen.

Medieninformation

Bremen, 26.03.2024. Die Armut hat in Deutschland erneut eine traurige Rekordmarke erklommen: 14,2 Millionen Menschen mussten im Jahr 2022 zu den Einkommensarmen gerechnet werden – 100.000 mehr als im Vorjahr und fast eine Million mehr als vor Pandemie, Preis- und Energiekrise. Diese Zahlen offenbart der Armutsbericht 2024, den der Paritätische Wohlfahrtsverband am 26. März in der Bundespressekonferenz vorgestellt hat. Der Bericht basiert auf Erhebungen und Berechnungen des Statistischen Bundesamtes.

Das Land Bremen weist mit 29,1 Prozent erneut die mit Abstand höchste Armutsquote aller Bundesländer für das Jahr 2022 auf (2021: 28,2 Prozent). „Die Befunde sind erschütternd, doch leider verwundert es kaum, dass Bremen wieder Schlusslicht ist. Nach der weltweiten Pandemie und den Krisen durch den Krieg in der Ukraine war es kaum erwartbar, dass sich Bremen in den Armutskennzahlen verbessert”, so Birgitt Pfeiffer, Vorständin des Paritätischen Bremen.

Bremen hat mit weitem Abstand höchste Armutsquote im Ländervergleich

In der Stadt Bremen ist die Armutsquote auf 28,3 Prozent leicht gestiegen (+1,4), in Bremerhaven ist sie auf 33,0 Prozent gesunken. Der Unterschied zwischen den Bundesländern ist gravierend: Andere Länder mit hohen Quoten wie das Saarland, Sachsen-Anhalt, Hamburg oder Nordrhein-Westfalen liegen alle unter der 20-Prozent-Marke. Während in Bayern nur jede achte Person von Armut betroffen ist, ist es in NRW jede fünfte Person, in Bremen sogar fast jede dritte. Auch im Vergleich der Stadtstaaten schneidet Bremen schlecht ab: Hamburg mit 19,5 Prozent und Berlin mit 17,4 Prozent haben deutlich niedrigere Quoten. Lediglich was die Armutsentwicklung angeht, steht Bremen mit „nur“ drei Prozent Zuwachs zum Vorjahr etwas besser da als beispielsweise Hamburg, wo die die Armut innerhalb eines Jahres um elf Prozent zugenommen hat.

Paritätischer Bremen: „Der Senat muss seine Anstrengungen verstärken!“

Aus Sicht des Paritätischen muss eine wirkungsvolle Armutspolitik vor allem auf Bundesebene gemacht werden. Dennoch gebe es auch in Bremen konkreten Handlungsbedarf: Ausbau der Kindertagesbetreuung und von Ganztagsschulen, Verbesserung der sprachlichen Bildung, Reformierung von Wohnungsbaupolitik und sozialer Stadtteilentwicklung. Umso irritierender erscheinen die aktuellen Schwerpunkte des Bremen Senats, nach denen 250 Millionen für ein grünes Stahlwerk, 40 Millionen zur Instandsetzung der Glocke und eine Million für Bürgerfeste auf dem Domshof beschlossen wurden, findet Birgitt Pfeiffer. „Hier gleichzeitig zu entscheiden, dass Zweitkräfte in Grundschulen benachteiligter Quartiere nicht mehr finanziert werden, ist überhaupt nicht nachvollziehbar. Wir erwarten sehr deutlich, dass der Senat seine Anstrengungen verstärkt, um Menschen dabei zu unterstützen, Wege aus der Armut zu finden und Integration in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Hier muss Bremen besser werden“, so die Vorständin des Paritätischen Bremen.

Seit 2006 ist der Anteil der Armutsbetroffenen von 20,4 Prozent um mehr als 40 Prozent gestiegen. Die bundesweite Armutsquote ist in diesem Zeitraum nur um 20 Prozent gewachsen.
„Um Armut wirksam zu bekämpfen, halten wir - wie unser Gesamtverband - eine Anhebung des Mindestlohns auf 15 Euro für notwendig“, erklärt Hermann Schulte-Sasse, Vorsitzender des Paritätischen Bremen. Nach Berechnungen der Paritätischen Forschungsstelle müsste auch der Regelsatz für einen alleinlebendenden Erwachsenen deutlich angehoben werden, um nicht nur die Inflation auszugleichen, sondern wirksam vor Armut zu schützen. „Angesichts der aktuellen Zahlen dieses Armutsberichtes lehnen wir alle Versuche, den Sozialstaat zu demontieren, entschieden ab“, so Schulte-Sasse.

Deswegen fordert der Paritätische Bremen eine einkommens- und bedarfsorientierte Kindergrundsicherung und entgegen den populistischen Fantasien von konservativer Seite eine armutsfeste Grundsicherung über das Bürgergeld. „Außerdem halten wir eine Reform der gesetzlichen Rentenversicherung mit armutsfester Mindestrente, eine solidarische Pflegevollversicherung und eine konsequente Mietpreisdämpfungspolitik für unbedingt notwendig“, so Schulte-Sasse.

Die Armutsquoten im Paritätischen Armutsbericht beruhen auf dem sogenannten Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes. Bei dieser kleinen Volkszählung wird nach einer Zufallsstichprobe jährlich etwa ein Prozent aller Haushalte in Deutschland befragt. Wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland zum Leben hat, gilt demnach als armutsgefährdet bzw. einkommensarm.

Weitere Erkenntnisse aus dem Armutsbericht: 

  • Alleinerziehende und Haushalte mit drei und mehr Kindern hatten 2022 die höchste Armutsbetroffenheit.
  • Auch Menschen mit niedrigen Bildungsabschlüssen sowie internationalem Familienhintergrund sind überproportional betroffen.
  • Frauen wiesen 2022 mit 17,8 Prozent eine deutlich höhere Armutsquote auf als Männer mit 15,8 Prozent. Besonders gravierend ist die Diskrepanz zwischen den Geschlechtern bei älteren Personen ab 65 Jahren.
  • Kinderarmut auf erschreckend hohem Niveau: Mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland wächst in Armut auf.
  • Mehr als ein Viertel der 14,2 Millionen einkommensarmen Menschen in Deutschland ist erwerbstätig, ein weiteres knappes Viertel ist in Rente und mehr als ein Fünftel sind Kinder. Nur knapp fünf Prozent sind erwerbslos.

Der Armutsbericht als PDF:

Armutsbericht 2024 (für das Jahr 2022) inkl. Methoden, Grafiken, Zitate

Über den Paritätischen Bremen

Der Paritätische Bremen ist ein Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege und Dachverband für Organisationen, die soziale Arbeit in Bremen und Bremerhaven leisten: für Vereine, Stiftungen oder gemeinnützige Gesellschaften. Etwa 200 Mitgliedsorganisationen mit rund 17.000 Beschäftigten nutzen die Dienstleistungen und die Interessenvertretung des Paritätischen Bremen. Unter seinem Dach gibt es Wohnangebote für ältere und behinderte Menschen, KiTas, Selbsthilfegruppen, Pflege- und Betreuungsdienste, Angebote und Beratungsstellen für straffällige, wohnungslose und geflüchtete Menschen und vieles andere mehr. Der Landesverband Bremen ist einer von 15 Landesverbänden des Paritätischen Gesamtverbandes mit Sitz in Berlin, dem bundesweit etwa 11.000 Organisationen mit rund 770.000 Beschäftigten angehören. www.paritaet-bremen.de

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